„Narrative Realitäten“ - Informationspräsentation über multimediales, programmiertes Geschichtenerzählen

Dr.-Ing. Peter Hoffmann (Juli 2010)

Erstbetreuung: Prof. Dr. rer. nat. Michael Herczeg, Universität zu Lübeck, Institut für Multimediale und Interaktive Systeme

Zusammenfassung
Narrative Realitäten können als Präsentationssysteme betrachtet werden.
Jedoch tragen sie die Besonderheit mit sich, dass Informationen nicht in
vordefinierten linearen Abfolgen präsentiert werden, sondern dass sie
unter Berücksichtigung der Präferenzen und Ziele der Benutzer in eine
Erzählstruktur eingebettet werden. Die Narrative Realität reagiert
flexibel auf den Benutzer und wählt die zu präsentierenden Teile so aus,
dass sich dem Benutzer ein Weg durch die Informationswelt als logische
und sinnvolle Handlung öffnet. Durch die individuelle Auswahl, die
unterschiedlichen Spannungsmodellen folgen kann, soll der Benutzer
motiviert werden, diesem Weg bis an das Ziel der Handlung und damit bis
zum Ende der Informationspräsentation, zu folgen.
Der Blick auf derzeitige narrative Systeme zeigt, dass es hauptsächlich
zwei Implementierungsansätze für solche Systeme gibt: einen
algorithmisch-mathematischen und einen agentenbasierten. Ersterer nutzt
die literaturwissenschaftliche Theorie des Strukturalismus, während der
zweite auf autonome Softwareagenten setzt, die als Charaktere mit ihrem
Verhalten in der Handlungswelt die Präsentation vorantreiben.
Einer der Hauptkritikpunkte an vielen narrativen Systemen besteht darin,
dass sie oftmals der Präsentationstechnik mehr Beachtung schenken als
dem narrativen Rendering. So besteht die Gefahr, dass solche Systeme dem
Besucher zwar ansprechende Präsentationen anbieten, die jedoch aus
narrativer Sicht unbefriedigend bleiben.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an und führt durch die Narrative
Realität die explizite Trennung von Darstellung und narrativer Struktur
ein. Sie nutzt für die Beschreibung der narrativen Inhalte und deren
Strukturierung die Arbeiten von Aristoteles sowie auch solche der
jüngeren Literaturwissenschaft um zeitliche Abläufe innerhalb der
Handlung und nichtlineare Verhaltensweisen zu ermöglichen. Kern der
Narrativen Realität ist der Narrator, der als Regisseur auf das
Verhalten der Benutzer durch eine individuelle Auswahl reagiert und so
die Narrative „rendert“. Wie die ausgewählten Inhalte technisch
präsentiert werden, ist für den Narrator nicht von Belang.
Auf Grundlage dieser Theorie wird eine prototypische Implementierung
beschrieben, die für die Anwendungskontexte „Ausstellung“ und
„E-Learning“ die Anwendbarkeit der Möglichkeiten von Narrative
Realitäten zeigt.



Zurück