ZeichenRaum Digitale Medien in Studienumgebungen am Beispiel der Computerkunst

Dr.-Ing. Susanne Grabowski (Juli 2007)

Zweitbetreuung: Prof. Dr. Bardo Herzig, Paderborn

Zusammenfassung:
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Erforschung und Gestaltung von Potenzialen digitaler Medien im Kontext von Bildung und Studium. Computerkunst dient mir als exemplarischer Gegenstand. Die Konzepte von Zeichen und Raum spielen im theoretischen Teil eine zentrale Rolle. Aus ihrer Perspektive betrachte ich Medien als abstrakte Räume mit einem semiotischen Charakter. Zeichen wie auch Raum werden als Verhältnisse beschrieben, die eine wahrnehmbare, eine erfahrbare und eine kognitive Komponente aufweisen. Dieselben Aspekte spielen in Prozessen der Bildung eine wesentliche Rolle.
Durch solch eine Betrachtungsweise wird uns gewahr, dass unser Umgang mit der Welt immer weniger unmittelbar durch die Dinge, als vielmehr mittelbar durch Relationen und Prozesse geprägt wird. Bewegung, Differenzierung und Wandlung rücken in den Vordergrund, Zustand und Identität scheinen an Bedeutung zu verlieren. An einem solchen Wandel können auch Prozesse der Bildung nicht vorbei.
Die Arbeit geht von folgenden Annahmen aus:
1) Dass sich Potenziale digitaler Medien von Produkten herleiten lassen, die mit Computern erzeugt wurden. Das wird an Beispielen der frühen Computerkunst (generative Ästhetik) gezeigt. Solche Potenziale liegen in der Berechenbarkeit, auf der die Digitalisierung aufbaut; in der Verdoppelung der algorithmischen Gegenstände, die immer gleichzeitig als Programm (Algorithmik) und als wahrnehmbare Präsentation (Ästhetik) erscheinen; und in der daraus resultierenden Vielfältigkeit und Unvollendung. Diese Merkmale kennzeichnen die Eigenästhetik des Mediums und den Umstand, dass uns die Gegenstände im Computer so flüchtig erscheinen. Sie lassen uns den Computer als einen funktionalen Möglichkeitsraum begreifen, der uns darauf hinweist, dass die Dinge im Computer Zeichenprozesse sind.
2) Dass sich diese Potenziale nur dann gewinnbringend entfalten lassen, wenn das digitale Medium sowohl als gestaltetes Mittel als auch als zu gestaltender Gegenstand Beachtung findet. Ein solches Vorgehen wird an Beispielen zur Gestaltung von Hypermedien, Videoinstallationen und interaktiven Installationen aus dem Projekt ”compArt: ein Raum für die Computerkunst” an der Universität Bremen dargestellt. Ich verfolge dabei einen Ansatz, der die Potenziale des Computers dazu nutzt, seine Eigenheiten hervorzuheben. Das Funktionale soll nicht nur als Mittel in der Darstellung zum Vorschein kommen, sondern als Gegenstand zur Vorstellung anregen, die das Denken in Bewegung bringt. Softwaregestaltung heißt hier, Herkünfte für mögliche Ankünfte zu gestalten – einen ZeichenRaum, der zur Handlung und Bewegung einlädt, indem ihn ein Benutzer zum Raum seiner Erfahrung entfalten kann. Hier erscheint der Computer als ein interaktiver Handlungsraum.
Der Computerkunst (im Sinne Max Bense’s Generativer Ästhetik) wird zur Belegung und Ausführung dieser Annahmen ein weiter Raum eingeräumt, der theoretische, praktische, historische, bildungstheoretische und didaktische Plätze aufsucht und unterschiedliche Perspektiven vorstellt. Anhand einiger Werkbeispiele von Frieder Nake und Manfred Mohr, wird dem merkwürdigen Zeichencharakter der abstrakt-formalen Bilder nachgespürt. Es zeigt sich, dass die bloß potentielle Zeichen auf ihre eigene Struktur verweisen, als eine mögliche Struktur für andere Zeichen. Es handelt sich um einen verschränkten Prozess, indem eine formale Beschreibung durch ein sinnliches Begreifen zugänglich wird. Es geht so um ein An-Sehen der abstrakten Erscheinung in der Verbindung durch ein Ein- Sehen ihrer formalen Strukturen. Es handelt sich um logische Bildkonzeptionen, die die mögliche Konstruktion von Strukturen und statistischen Beziehungen der Elemente zueinander in den Vordergrund rückt. In einem solchen Prozess bleiben auch die Akteure nicht die, die sie waren: Sie sind stets nur Ermöglicher und niemals Vollender.
Zudem wird die Computerkunst aus folgenden Gründen zum Bildungsgegenstand erhoben: Computerkunst ist elementar, fundamental und exemplarisch und erfüllt damit die Anforderungen eines Bildungsgegenstandes. Darüber hinaus handelt sich um einen historischen Gegenstand, der es erlaubt zwischen Gewesenem und Jetzt zu vergleichen. Als ein interdisziplinärer Gegenstand, weist sie auf zwei fundamentale Disziplinen (Informatik & Kunst) zum Studium digitaler Medien hin. Zuletzt ist der Gegenstand einfach und dennoch herausfordernd, so dass er sich nicht nur für Studierende technischer Studiengänge anbietet.
Zuletzt wird die Frage nach der Gestaltung von digitalen Medien für Studienumgebungen erweitert zur allgemeinen Frage nach der Gestaltung von zukunftsweisenden Studienumgebungen. Am Beispiel des “Ästhetischen Labors wird gezeigt, wie solche Medien ganz selbstverständliche Bestandteile von Studienumgebungen werden können, wenn die Konzeption der Studienumgebung als Ganzes den Merkmalen der Differenz, Vielfalt und Bewegung durch offene und flexible Strukturen folgt.
Title:
SignSpace Digital Media in Study Environments: the Case of Computer Art
Abstract:
The potentials of digital media in educational contexts, and particulary in art education, constitute the focus of this thesis. Computer art is used throughout as an example. The concepts of sign and space play a central role for the theoretical part. I consider media as abstract spaces of a semiotic character. Sign as well as space are subject matter of perception, experience, and cognition; in those capacities they meat with processes of education.
We need such a theoretical foundation to understand the shift in individual and social existence from the directness of things to the indirectness of relations. Such a shift has been going on over the last few decades and it is still determining educational processes. The experience of difference and acquaintance with semiotic systems have gained importance in education.
The thesis is based on the following assumptions:
1) Potentials of digital media can be derived from products of the computer. This is demonstrated by the example of early computer art (generative
aesthetics). Such potentials are computability, which is an absolute precondition of any computer work; the twofold existence of algorithmic
things as program and as perceivable presentation; and variability and a status of unfinish of digital media. These features describe the specific aesthetics of the media, and the fluid character of computer objects. They make us think of the computer as a functional space of possibilities, which lead us to the sign character of all computer objects.
2) In the context of learning, potentials of digital media unfold only when they are considered to be means designed to support learning, as well as subject matter yet to be designed. The project “compArt: a space for computer art” at the University of Bremen serves as my background. In the course of this project, we designed hypermedia, video installations, and interactive installations. There is a recursive component: potentials of the computer are used as means to introduce its peculiarities as ends. The computer as medium may be used as a means to represent some external phenomena; it may also become subject matter and thus stimulate ideas about the computer. Designing software ist to create a source of potential arrivals: software as text is the source, software as process becomes the arrival. Software is a space of signs inviting to action and transaction. Here the computer appears as an interactive space of action.
Computer art (in the sense of Max Bense’s Generative Aesthetics) plays a central role and is taken up from the perspectives of theory, practice, history and education. Works by Frieder Nake and Manfred Mohr are explored for their peculiar sign character. They appear as potential signs of their own structure, which is a possible structure for other signs. It seems to be a twisting process, in which a formal description becomes accessible through sensual apprehension. It is about looking-at an abstract appearance in combination with looking-in a formal structure. Computer art stands for a logical concept that moves into the foreground possible structures and statistical relations. In such a process, the actor’s role is changing: he facilitates processes, but he doesn’t complete them.
Computer art is chosen as the case for study since it is elementary, fundamental, and exemplary. It therefore fulfills the requirements of a fruitful educational object. As an object of history, it allows us to compare the past with the present. As an interdisciplinary object it makes necessary the study of two disciplines (computer science and art) to investigate digital media. Finally, computer art is simple enough to get started with practical work, but still challenging enough, so that great ideas can emerge.
As a practical consequence, first steps are taken towards developing an “aesthetic laboratory” which combines principles of pragmatism whith potentials of digital media in the aesthetic domain. The study environment features open and flexible structures by emphasizing difference, variability, and transformation.



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